Schlagwort-Archiv: zu

Die Zeitgeist-Parteien

Am Anfang eine Frage: Was haben die Grünen und die Tour de France gemeinsam?

Nichts ist neu bei den Grünen. Kein radikales Grundsatzprogramm, keine wilden Thesen, ja nicht mal mehr ein Alleinstellungsmerkmal bleibt Ihnen nach den vergangenen Wochen. Doch trotzdem schweben sie gefühlt über den politischen Ebenen.

Ein fulminanter Erfolg in Baden-Württemberg steht auf ihrer Bilanz, demnächst ein grüner Ministerpräsident und ganz vorn eine Parteispitze, der schon vor Wochen die Superlative ausgegangen sind, mit denen sich beschreiben ließe, was da gerade passiert.

Woran erinnern diese Grünen im Höhenrausch? Genau. Die FDP im Höhenrausch.

Doch lag das damals an der FDP und liegt der aktuelle Höhenflug an den Grünen. Ich denke nicht. Vielmehr ist der  Zeitgeist nun bei den grünen Ideen angekommen und gerade dabei die Grünen rechts und links zu überholen. Doch dieser Zeitgeist ist wie das Wohlwollen der Medien. Man wächst schnell damit aber man stürzt mit diesem Zeitgeist und den Medien als Brandbeschleuniger genauso umgehend wieder ab, sobald man einen Fehler nur gemacht haben könnte.

So war es bei der FDP, dem bundespolitischen Intermezzo von Karl-Theodor zu Guttenberg und so wird es auch den Grünen gehen. Schauen wir mal, wo sie in 5 Jahren stehen. In der Bundesregierung oder auf einem selbstzerfleischenden Bundeskongress, bei dem Fundis und Realos wie früher auf einander treffen. Laut und deutlich und schlimmstenfalls mit Farbbeuteln.

Doch dieser Ritt auf der Welle des Zeitgeistes ist kein einzig politisches Phänomen. Auch im Sport gibt es gute Beispiele für dieses Muster. Man erinnere sich nur an die Tour de France. Bis zum Sieg von Jan Ullrich in den 90ern schaute nur eine Handvoll Deutscher alljährlich die große Schleife. Plötzlich war es das sportliche Highlight des Sommers und wurde von ARD und ZDF ins unermessliche gehypt.

Dann kam das Doping und auf einmal war alles aus. Die gesamte Radsport-Medien-Industrie brach zusammen und begrub die frühen und immer noch bestehenden Radsportfans unter sich. Heute muss man sich rechtfertigen, wenn man immer noch im Sommer vor dem Fernseher sitzt und die große „Tour de Doping“ verfolgt. Da steht man plötzlich auf einer gesellschaftlichen Anerkennungsstufe mit KT-Fans und FDP-Mitgliedern. Schade eigentlich…

Gebt ihm doch eine Ehrendoktorwürde!

Die mediale Hexenjagd auf den Bundesverteidigungsministers wegen dessen Dissertation ist nur noch grotesk. Trauriger Höhepunkt war bislang der Freitag vergangener Woche und dessen mediales Nachschwingen.

An diesem Tag wurden in Afghanistan durch einen feigen Anschlag drei Bundeswehrsoldaten getötet. Der deutsche Verbraucher musste sich z.B. auf RTL und Co aber anhören, dass der Minister sein kurzes und knappes Statement zur Causa „Doktorarbeit“ am Vormittag nur vor ausgewählten Medienvertretern abgegeben hat. Also leider nicht vor RTL, n-tv, vox und den anderen investigativen Qualitätsmedien dieses Konzerns. Deshalb herrschte hier nun „beleidigte-Leberwurst-Stimmung“

Aber muss mich das aufregen? Nein, es ist mir egal!

Er hat sich erklärt. Streng genommen hätte er nicht mal das machen müssen. Denn ob ein deutscher Minister nun einen Doktor vor seinen Namen schreibt oder nicht, hat keinen Einfluss auf dessen politische Tätigkeit. Und die Diskussion um Karl-Theodor zu Guttenberg und sein Verhältnis zur Wahrheit, die nun losgebrochen ist, scheint eher ein Beleg dafür zu sein, wieviele Akteure mal wieder am beliebtesten deutschen Politiker sägen wollen. Gerade beim SPIEGEL reiht sich die die aktuelle Kampagne passgenau in einen mittlerweile 2 Jahre andauernden Zyklus des Rauf- und Runterschreibens ein.

Viel wichtiger ist aber: Es ist keine mehrtägige Top News, ob es nun Fehler bei der Promotion gegeben hat oder nicht. Darum kümmert sich ein universitärer Ausschuss und dieser wird nach eingehender Prüfung entscheiden, ob der akademische Grad aberkannt wird oder nicht. In der Haut dieser Ausschussmitglieder möchte ich nicht stecken.

Über die am Freitag in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten und den damit einhergehenden Paradigmenwechsel wird in den Leitmedien nur am Rande berichtet. Eigentlich müsste der Aufreger des Tages doch sein, dass es ein regulärer und von Deutschen ausgebildeter afghanischer Soldat war, der seine AK47 auf eine Gruppe Bundeswehrsoldaten richtete, die im Feldlager ihr Gerät instandsetzten. Es war keine unbekannter Terrorist mit Sprengstoffgürtel. Doch nach dieser Info muss man heute – einen Tag danach – auf SPON schon suchen.

Die Soldaten der Bundeswehr sind zu Recht schockiert über diese Medienrealität und sammeln sich mit anderen Sympathisanten zum Beispiel unter dem Titel „Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ auf Facebook. Zur Zeit sind es 46.000 und die Zahl steigt mit jedem Betätigen der F5-Taste.

Mein Vorschlag zur Güte und im Sinne einer Rückkehr zur Berichterstattung für relavante Themen ist deshalb folgendes:

Gebt Karl-Theodor zu Guttenberg eine Ehrendoktorwürde!

Damit könnte sich eine deutsche Universität schlagartig auf 1 bei SPON katapultieren, die Uni in Bayreuth würde aus Dankbarkeit wahrscheinlich sogar die Verleihung bezahlen und unsere Qualitätsmedien könnten sich endlich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren.