Ein #Aufschrei in mein Bewusstsein

Es war einmal ein Artikel auf SPIEGELonline, der sich mit dem alltäglichen Sexismus und Chauvinismus in der Piratenpartei beschäftigte. Wenig später schrieb eine Journalistin im STERN über ihre Erfahrungen mit einem hochrangigen deutschen Politiker und legte damit Hand an das Kartenhaus des vermeintlich alltäglichen Umgangs, den manche Männer mit Frauen praktizieren.

Alltägliche MenschenmasseEinige Tage nach dem Stern-Artikel flog ein Hashtag frontal in dieses Kartenhaus und ließ keinen Stein mehr auf dem anderen. Unter dem Stichwort #Aufschrei berichteten plötzlich Frauen auf Twitter, wie sie den ganz alltäglichen Sexismus und unglaubliche häufig sexuelle Belästigung erlebten. Am Arbeitsplatz, in der Straßenbahn, beim Sport, in der Bar am Abend oder im Supermarkt. Sie berichteten von Männern, die sich nicht nur einen Scherz machten sondern zum Teil ungewollten Kontakt aufnahmen oder sogar ekelerregende Praktiken an den Tag legten. Ich war schockiert.

Als ich die ersten Tweets am Morgen des 25. Januar während meiner einstündigen Zugfahrt zur Arbeit las, stieg in mir Wut auf. Ich fragte mich – und tue es immer noch – warum sich manche Männer regelmäßig so benehmen, wie es Frauen bei #Aufschrei beschreiben und was bei manch anderem der Auslöser sein kann, um in den beschriebenen Formen über die Stränge zu schlagen? Die mir durch den Kopf schnellenden Antworten sind zwar bedrückend aber halten mich nicht nächtelang wach. Vielmehr wurde mir in den letzten Wochen immer deutlicher, dass die Gründe für solches Verhalten sicher wichtig, aber für mich nicht entscheidend sind.

Entscheidend ist für mich der Blick nach vorn. Nämlich der Fakt, dass dieses Problem des alltäglichen Sexismus und der sexuellen Belästigung nun mit voller Härte in meinem Unterbewusstsein eingeschlagen ist. Und ich denke, damit bin ich nicht allein. Ich reagiere heute anders auf den flotten Spruch zwischendurch, lache nicht mehr über den Herrenwitz am Abend und streite mich mit anderen Männern über Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Dafür danke ich denen, die diese Tür mit #Aufschrei bei mir aufgetreten haben!

Trotzdem bin ich immer noch kein Feminist. Ich bin ein Mensch, der nicht will, dass Erfahrungen, wie sie bei #Aufschrei beschrieben werden, den Weg anderer Menschen pflastern oder sogar das Weltbild unsere Kinder prägen. Denn hier können wir aktiv werden. Ich habe immer gelernt, dass jeder Mensch mit Respekt behandelt werden muss. Dieses Selbstverständnis lebe ich aus und gebe es weiter. Wenn sich jeder beteiligt, ist viel gewonnen.

Ein Gedanke zu „Ein #Aufschrei in mein Bewusstsein

  1. Christian S.

    „Ich reagiere heute anders auf den flotten Spruch zwischendurch, lache nicht mehr über den Herrenwitz am Abend und streite mich mit anderen Männern über Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Dafür danke ich denen, die diese Tür mit #Aufschrei bei mir aufgetreten haben!

    Trotzdem bin ich immer noch kein Feminist.“

    Doch, schon. Genau das bist Du jetzt. Tut mir leid. Du gehörst jetzt zu uns. 🙂

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