Wenn Bücher plötzlich enden – Mit Dieter Moor unterwegs.

Es war so schön und einfach. Lange Zugfahrt geplant, einmal quer durchs Land. Dafür brauch ich ein Buch. Also bin ich in das Kaufhaus mit dem „D“ an der F-straße gegangen und stöberte in typischer Freitagnachmittagsgemütlichkeit durch das erweiterte Schaufenster. So kommt mir jedenfalls die Stöberhalle nahe dem Eingangsbereich vor, in der kein „Sucher“ zu finden ist. Denn diese Kunden gehen gezielt in eine der wohl bekannten und hochgeschätzten Fachbereiche des großen Hauses.

Nach kurzem Gestöber fand ich auch direkt ein Buch, das mich ansprach. Peer Steinbrücks Abrechnung mit der aktuellen Politik. Doch mit diesem unterm Arm erblickte ich das seelige Lächeln Dieter Moors auf dem Cover seines Buches „Geschichten aus der arschlochfreien Zone“. Ich weiß nicht woher, aber ich hatte von dem Buch schonmal gehört. Also musste Herr Steinbrück nochmal zurück – vielleicht hat er beim Weihnachtseinkauf mehr Glück – und ich ging mit Dieter Moor unterm Arm direkt zur Kasse.

Zwei Tage später saß ich im Zug. Den Kaffee neben mir stehend, das Schoko-Brötchen vom Bahnhof Trier zur Hälfte geknabbert und sieben Stunden Eisenbahnromantik vor mir. Erst über die Eifel und dann durch den Rest der Republik. Jetzt griff ich zum Buch, schlug es auf und begann zu lesen. Es war ein Genuß. Jeder Absatz und jede Zeile.

Auch wenn ich das Buch heute, fünf Tage nach der Zugfahrt, noch nicht fertig gelesen habe, schreibe ich, was ich darüber denke. Warum? Ganz einfach. Ich habe ein bischen Bammel davor, wenn es zuende ist. Soll heißen, den Moment des letzten Satzes will ich etwas hinauszögern. Denn dann muss ich mich wieder aufraffen und werde alle Bücher in der Auslage an diesem Leseerlebnis messen. So ging es mir zuletzt bei Sven Regeners „Der kleine Bruder“. Tolle Episoden, genialer Witz und eine U-Bahntaugliche Sprache, die das Lesen zur spaßaufgeladenen Nebensache im Alltag macht. Danach kam erstmal eine Weile nix. Gelesen habe ich Magazine und Zeitungen, aber wochenlang kein Buch.

Nun geht es mir so mit Dieter Moor. Er schreibt, wie er spricht, erzählt im Buch, wie er bei „Bauer sucht Kultur“ moderiert. Die Geschichten sind kurz, chronologisch und pointiert. Mit Moor und seiner Frau Sonja wächst der Leser in die Brandenburger Idylle hinein. Lernt Menschen kennen, fragt sich mit allen anderen Beteiligten, warum der schweizer Moderator und seine Frau in den toten Winkel Berlins gezogen sind, um dann dort ein neues Leben aufzubauen. Wenn man Dieter und Sonja Moor youtubt oder googelt, weiß man heute, warum die beiden das vor sieben Jahren gemacht haben. Mittlerweile sind sie erfolgreiche Biobauern, die von der Gründermarketingindustrie dankbar vor der Kamera zu ihrem Erfolgskonzept befragt werden (youtube).

Die Menschen, die Dieter Moor beschreibt, sind echt. Man sieht sie vor Augen, wenn er ihre Physis skizziert, ihre Eigenheiten mit scharfem (schweizerischen) Blick auf den Punkt bringt und dankbar ist, für alles besondere, was den jeweiligen Mit-Dorf-Bewohner ausmacht. Manchmal ist der oder das Beschriebene fast ungewollt komisch. Es funktioniert nur selten, wenn man einzelnen Abschnitte vorliest. Man muss das Buch und seine Geschichten kennen, um die weiteren Geschichten zu verstehen und am kleinen und gern auch versteckten Witz diebische Freude zu entwickeln. Es geht soweit, dass ich mich wiederholt dabei ertappe, stimmlos aber herzhaft in der S-Bahn, im Zug, im Bus oder im Schwimmbad in lautes Gelächter auszubrechen. Sorry liebe Mitbürger. Ich lache Euch nicht aus.

Alles in allem also ein wunderbares Buch. Eines das mich Städter dazu bringt, bei einschlägigen Immobilienportalen mal spontan nach potentiellen Stammsitzen zum Beispiel in der Schorfheide zu suchen (in Oderberg ist auch das alte Rathaus zu haben) und zu überlegen, welche Tiere vielleicht stark genug wären, um unter meinem gänzlich unfähigem Regiment ein geruhsames und erfülltes Leben zu führen. Aber das sind Hirngespinste eines P-berg Berliners für den Fall, dass der Berliner Nordwesten irgendwann nicht mehr bügerlich genug ist.

Aber jetzt noch einmal deutlich: Lesen!

Dieter Moor: Geschichten aus der arschlochfreien Zone.

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